m

Solum salutatus complectitur ex sed, eu nec dolor option expetenda complectitur.

INHALE/EXHALE
with Axel Hütte, Felicitas Rohden and Angelika J. Trojnarski
at Kunst und Denker Contemporary, Düsseldorf
November 5 – December 18, 2022
Installation views no. 1 & 7 by Kai Werner Schmidt

INHALE/EXHALE
by Ann-Katrin Günzel

Einatmen und Ausatmen ist nicht nur unser erster und letzter, es ist auch unser ständiger Austausch mit der Welt, eine unbestreitbare Lebensnotwendigkeit. So wie der erste Atemzug den Beginn unserer Existenz als eigenständige Erdenwesen verkündet, so bedeutet der letzte das Ende dieses Zustandes. Das Wechselspiel zwischen unserem Organismus und der Umwelt wird von ungefähr 12.000 Litern Luft gespeist, die wir pro Tag ein- und ausatmen. Abhängig davon, wo wir leben, kann die Luft dabei unsere Gesundheit fördern oder aber zerstören. Wohlbefinden und Lebensqualität hängen also in einem extremen Maße von der Luft, die wir atmen, ab. Mit diesem existenziellen Thema sind auch starke kulturelle und soziale Konnotationen verbunden, welche Fragen nach Macht(ausübung) aufwerfen. Angefangen beim antiken Pygmalion-Mythos, der ein maßgebliches Narrativ für die Bedeutung des Atems darstellt, das im christlichen Schöpfungsmythos andauert und zeigt, was es heißt, Atem zu spenden, bis hin zu der grausamen Erkenntnis, was es bedeutet, jemandem den Atem zu nehmen, die spätestens seit George Floyds Hilferuf „I can’t breath“ überdeutlich in unser Bewusstsein getreten ist, sind zahlreiche nicht mehr löschbare Bilder in unseren Köpfen verankert. Durch die Erfahrungen der Pandemie ist der Atem zu einem alles dominierenden biologischen Vorgang geworden: kaum ein Atemzug kann heute in der Öffentlichkeit noch bedenkenlos getätigt werden, unser Atem wird vielmehr von Skepsis und Ängsten begleitet.

 

Gleichzeitig sind das Atmen und die Luft mit ökologischen und umwelt-politischen Implikationen aufgeladen, Bilder von Asche- und Atomwolken gehören ebenso dazu, wie wissenschaftliche Untersuchungen zu Luftverschmutzung durch Smog, Feinstaubpartikel wie Rauch, Ruß, Abgase oder Aerosole. Die Forschung zum Klimawandel und den damit einhergehenden Zusammenhängen von Luftschadstoffen, die durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe entstehen, ist grundsätzlich bekannt und wir wissen längst, dass klimaschädliche Schadstoffe, wie Methan, Ruß oder Schwefelaerosole, zu den Hauptverursachern der globalen Erderwärmung gehören, dass wir mit unseren Handlungen viel zu viel CO2 in die Atmosphäre entlassen. Tatsächlich ist es sogar so, dass unsere atmende Existenz inzwischen zum Sinnbild für die Erderwärmung geworden ist. Dieses Bild nimmt die Düsseldorfer Künstlerin Angelika J. Trojnarski (*1979), die sich schon seit vielen Jahren mit dem Klimawandel und den Auswirkungen des Anthropozäns auf unseren Lebensraum beschäftigt, in ihrer Arbeit auf. Mit Warm Breath hat sie Collagen geschaffen, die sich aus im Nebel aufragenden Gletschern und dichten, geradezu undurchdringlichen Wolkenformationen zusammensetzen. Die verbrannten Ränder, an denen sie aufeinandertreffen, machen deutlich, dass Eis und Luft in zu großer Hitze zusammenkommen, eine Brandspur hervorrufen und Löcher entstehen lassen, die wie Leerstellen durch das Blatt hindurchgehen, so dass ein wahrhaft ausgebranntes Nichts an dieser Stelle auftritt. Die Künstlerin hat erst kürzlich eine Reise zur Zugspitze unternommen, um sowohl diese intensive Naturerfahrung persönlich zu erleben als auch die inzwischen rasant voranschreitende Gletscherschmelze zu erkunden. Sie hat im Anschluss einen multimedialen Projektbericht angelegt, der unter warmbreath.org aufgerufen werden kann und ein Zeitdokument darstellt, um das inzwischen ganz und gar nicht mehr ewige Eis festzuhalten. In naher Zukunft, einem zeitgeschichtlichen Atemhauch sozusagen, werden Aufnahmen und Berichte dieser Art die einzigen Zeugnisse des Eises sein.

Eine ganz andere Auseinandersetzung mit dem Thema Atem/Luft zeigen die Arbeiten der Düsseldorfer Künstlerin Felicitas Rohden (* 1984). Die mehrteilige, luftgefüllte Skulptur Inverted Land (2022) nimmt auf ihre digitale Arbeit wherethesunsetsblue.com Bezug und übersetzt sie in reale, raumgreifende Formen. Während die webbasierte Arbeit auf einen Dialog zwischen der Künstlerin und den Commander der letzten NASA Marsmission VI zurückgeht und schwebende, planetenartige Kugelformen zeigt, die sich zu ihrem vermeintlichen Kern hin öffnen lassen, wandelt sie in ihren aufgeblasenen Formen diese Kugeln nach dem Prinzip der Sphere Eversion um, wobei sie das Prinzip der Kleinschen Flasche anwendet, das aus nur einer Seite besteht, die gleichzeitig Innen und Außen ist und als Beispiel einer nicht-orientierbaren Fläche gilt – ganz so wie die Bewegungen der Astronauten im Weltraum Orientierungslosigkeit implizieren.
Rohden setzt das Aufblasen von Materialien, dem Füllen und der Ausdehnung der Lunge beim Einatmen vergleichbar, als kreativen, raumspendenden Prozess ein, so dass der Atem direktes künstlerisches Material wird. Auf diese Weise bleibt er ein Teil immaterieller und unsichtbarer körperlicher Manifestation, wahrnehmbar gemacht nur durch die äußere Form, die entsteht. So wird die Frage aufgeworfen, ob diese immaterielle Körperlichkeit künstlerischer Präsenz einen Gegenentwurf zur immateriellen Digitalität der Gegenwart darstellen kann. Die Künstlerin interessiert dabei die Dimensionalität im analogen sowie im digitalen Raum. Während das Digitale nur Dreidimensionalität vorgeben kann, entfalten sich die Formen im Ausstellungsraum wie atmende Körper durch Luft, die ein- und ausströmt. Die dazu notwendige Stromversorgung kommt aus Solarzellen, es wurde also zugleich eine nachhaltige, zukunftsfähige Form gefunden, um Energie auch im Kunstkontext zu erzeugen.

 

Um eine nachhaltige, zukunftsfähige Welt zu schaffen, der Umweltverschmutzung Einhalt zu gebieten und uns den Atem nicht gänzlich zu nehmen, ist es außerdem unerlässlich, vorhandene Wälder zu schützen und neue Baumbestände anzubauen, denn als „grünen Lungen“ können nur sie die Reinigung der bereits zum großen Teil verschmutzten Atemluft bewältigen. Zwischen 30 und 70 Tonnen Staub kann ein Hektar Wald jährlich aus der Luft filtern. In Moonlight, Canada 2010, einem großformatigen Ditone Print des Düsseldorfer Fotografen Axel Hütte (*1951), ausgestellt im Salon von Kunst & Denker Contemporary, scheint der Wald seinen Atem in einem ausgedehnten Nebel über sich zu breiten, einem Schleier aus mit Hilfe von Sonnenenergie produzierten Sauerstoff, den Menschen und Tiere zum Atmen benötigen. Sauerstoffgehalt und Staubfilterwirkung des Waldes sorgen dafür, dass die Lungen sich weiten können und der Mensch hier nicht nur Ruhe und Erholung findet, sondern leichter atmen kann und der Spaziergang im Wald damit eine wahrhaft heilende Wirkung hat. Die im Dunst auftauchende Waldlandschaft im Bild Hüttes, die von oben fotografiert Stille und Erhabenheit ausstrahlt, verkörpert in diesem Sinne einen scheinbar noch ungestörten Naturraum, den es zu retten gilt, damit er nicht wie die bereits totgesagten Gletscher zu einem Zeitdokument, sondern zu einem Zukunftsentwurf wird.